Hallo an alle Menschen in diesem Forum,
schon vor längerer Zeit hatte ich den Gedanken meine Erfahrungen auf einer Plattform darzustellen und anderen Menschen damit zu helfen und auch selber Hilfe zu bekommen.
Ich bin männlich, 29 Jahre alt und vor 10 Jahren ist die erste Psychose (Wahnhaftigkeit, Größenwahn, Paraonoia - vermutlich schizophrene Psychose, ohne größere Halluzinationen- aufgetreten.
Ich war immer ein sehr lebenslustiger Mensch und bin es heutzutage auch, jedoch mit vielen Schwankungen. Zu meiner Geschichte vor der ersten Psychose (bisher 4 Psychosen in 10 Jahren): Meine Familienverhältnisse waren problematisch, die Eltern haben oft gestritten und der Vater noch den Arsch versohlt in jungen Jahren. Jedoch hatte mein Vater immer sehr viel verdient und ich wurde sehr liberal erzogen. Dadurch hatte ich immer viel Geld und Zeit für stundenlange, monatelangen, pathologischen Computergebrauch. Schon in jungen Jahren habe ich viel Konsolen gespielt und ich bin der mittlere von drei Söhnen. Die schwere der Erkrankung schein auch mit dem Alter zu tun zu haben, wann wir drei angefangen haben in eine Fantasiewelt zu flüchten (Ältester Sohn studiert, ich arbeite Teilzeit und der jüngste Sohn kann weder arbeiten, noch ein soziales Umfeld haben).
In meiner Jugend habe ich oft Alkohol getrunken aber nicht zu härteren Drogen gegriffen, jedoch weiterhin sehr viel Computerspiele gespielt. Durch die problematischen Familienverhältnisse haben meine intensiven Liebensbeziehungen nicht lange gehalten, da ich oft starke Verlustängste habe und dies hält bis heute an.
Als ich 19 Jahre alt war, bin ich auf ein Work n' Travel nach Australien geflogen und nach harter Arbeit und ca. 6 Monaten Aufenthalt hat sich eine Psychose entwickelt, die nicht durch Drogen o. Ä. ausgelöst war. Ich hatte mir eine komplette Fantasiewelt aufgebaut, in einem Wort: Realitätsentzug. Ich litt zunächst unter Schlaflosigkeit. Ich wurde Zwangseingewiesen und mit mit Zyprexa 20 mg behandelt: Diagnose: Bipolare Störung.
Ich nahm diese hohe Dosierung fast ein Jahr lang und litt unter schwersten Depressionen, völliger Antriebslosigkeit, Leere und habe jeden Tag ca. 14 Stunden geschlafen. Der damals ambulant behandelnde Arzt wollte die Dosierung lange Zeit nicht herunter setzen und erst nach einem Jahr voller chemischer Folter wurde das Zyprexa auf Anweisung des Arztes heruntergesetzt. Da sich die Depression jedoch nicht so schnell wieder auflöse bekam ich erst Citalopram, später Venlafaxin (starkes Anti-Depressivum). Schon nach wenigen Wochen war ich außergewöhnlich Leisungsfähig. Konnte wieder locker 8 Stunden, 5-6 Tage die Woche arbeiten und jeden Abend noch etwas unternehmen und Sport machen.
Ich schlug dem Arzt vor das Anti-Depressivum zu reduzieren, wortwörtliche Aussage von ihm: "Wir sind hier doch nicht auf dem Basar!". Dieser Arzt war zudem sehr unprofessionell. Nach nur 3 monatigem "Hoch", war ich im Urlaub in Spanien (Ballermann) und hier folgten die dunkelsten Wochen meines Lebens: Ich bekam mitten auf dem Ballermann eine Psychose und habe mich auffällig verhalten. Daher wurde ich dort zwangseingewiesen und bekam Risperidon, Tavor und Lithium gleichzeitig. Mein Körper und mein Geist waren völlig gelähmt, sogar meine Zunge wurde nach kurzem sprechen lahm und ich konnte den Speichel nicht halten. Außerdem hatte ich kein Spermaproduktion mehr. Diese Behandlung war besonders grausam, da ich sogar Spritzen bekam und fixiert wurde, obwohl ich niemanden angegriffen hatte. Dieses Land ist in Sachen Psychiatrie extrem rückständig. Man Vater ist zwei mal nach Spanien geflogen, da ich beim ersten mal nicht transportfähig war.
Ich litt wieder ein Jahr lang unter schwersten Depressionen und zudem noch an starken motorischen Störungen. Nur wenn ein Wasserpfeife geraucht habe, habe ich eine Linderung gespürt. Das Rauchen drückt die Wirkung des Neuroleptikums. Der inkompetente Arzt hielt es nicht für nötig, dass ich mich nochmal in stationäre Behandlung begab, daher fiel die Entscheidung in eine psychosomatische Klinik zu gehen erst nach einem Jahr voller Folter und Leid. Dies war zudem motiviert durch einen Besuch bei einer Selbsthilfegruppe, die sofort erkannt haben, dass ich mich in sofortige stationäre Behandlung begeben muss.
Es folgten 5 Monate Klinikaufenthalt in einer psychosomatischen Klinik (keine Akutklinik, sondern eine Klinik, in dem einen geholfen wird). Das Risperidon wurde durch Zyprexa ersetzt und ich wurde mit Elontril und einem anderen Anti-Depressivum behandelt und war wieder Leistungsfähig. Ich war danach sogar über 3 Jahre stabil und habe eine Ausbildung in einem ReHa-Zentrum gemacht. In dieser Zeit wurde das Anti-Depressivum sukzessive herunter gesetzt.
Nach der Ausbildung wurde ich wieder depressiv und bekam wieder Elontril, zeitweise sogar 300mg (hohe Dosierung) und das Anti-Depressivum wurde so lange beibehalten, bis die nächste Psychose kam. Dazu muss man aber sagen, dass ich die 2,5mg Zyprexa eigenmächtig absetzte und dies nur 6 Wochen ohne Psychose gehalten hat.
Ich wurde in meiner Heimat behandelt und einen Beschluss, daher wurde ich 6 Wochen zwangsbehandelt. Der Arzt wollte mir zunächst Haldol verschreiben, da es aber nicht meine erste Psychose, sondern die 3. war, konnte ich mit dem psychotischen Zustand schon sehr viel besser umgehen und sagte, dass ich nur Zyprexa "vertrage". Der Arzt wollte mir 30 mg verschreiben und ich verwies ihn darauf, dass die zugelassende maximale Tagesdosis 20 mg beträgt. Daher bekam ich 20 mg und fragte nach einer Woche, warum meine Zyprexa-Dosis so hoch sei. Ich war schließlich nicht aggressiv aber verhaltensauffällig. Er meinte ich würde ja rauchen und das drücke das Zyprexa um die Hälfte. Ich paffte aber nur mal aus Langeweile und schon wurde die Dosis auf 10 mg heruntergesetzt. Nach dem ich den Ärzten dort exakt gesagt habe, was sie zu tun haben: Das Zyprexa wöchentlich um 2,5 mg zu reduzieren wurde ich nach 6 Wochen entlassen und konnte sofort wieder arbeiten. Doch wegen des Beschlusses musste ich ein 400€ Gutachten bei einem Psychiater machen, damit ich unter Auflagen meinen Führerschein behalten darf.
Die 4. Psychose entstand dann ca. 1 Jahr später durch die dauerhafte Einnahme von 2,5 mg Zyprexa mit 150 - 300 mg Elontril. Mein neuer Arzt verwies darauf, dass dies nicht die Schuld von Elontril sei, sondern lediglich eine Krankheitsphase. Jedoch kann man sagen, dass ich auch längere Zeit stabil war, indem man das Anti-Depressivum wieder absetzt.
In dieser 4. Psychose konnte ich mich schon so gut kontrollieren, dass ich keine Beschluss mehr bekam und mich mit Hilfe von zwei Freunden eigenmächtig entließ. Diese Psychose wurde nur eine Woche lange mit Zyprexa und Lithium behandelt. Nach einer Woche war ich aber wieder zu Hause und konnte meine Psychose sehr ausleben und nahm gar keine Medikamente mehr. Nach und nach haben sich meine psychotischen Gedanken von selbst abgebaut und ich war tatsächlich wieder genauso leistungsfähig wie vor der Psychose, nach nur 3-4 Wochen.
Meiner Meinung nach sollte man bei zykloiden Psychose weder dauerhaft Neuroleptika oder Anti-Depressiva nehmen. Zwischendurch hatte ich auch jahrelang Lithium, welches überhaupt keine Wirkung hatte außer, dass meine Nierenfunktion mit 28 Jahren auf 40% war und ich 125 mg L-Thyroxin nehmen musste, da meine Schilddrüse so stark angegriffen wurde.
Zur Zeit nehme ich nur noch 2,5 mg Zyprexa und 75 mg L-Thyroxin, als Folge der jahrelangen Lithium-Einnahme. Meine Nieren und Schilddrüsenwerte sind wieder besser geworden. Als ich aus Spanien kam habe ich ca. 4-5 Liter Wasser am Tag getrunken und musste mindesten 10 mal am Tag Wasser lassen.
Zur Zeit leide ich unter einem erhöhten Schlafbedürfnis, etwas Neurodermitis und Hautjucken (war auch mit dem vielen Schlafen am Tag zu tun hat). Außerdem habe ich eine Antriebslosigkeit (früher war ich sehr sportlich). Zwischendurch (bei hohere Zyprexadosis) habe ich auch viel Fett zugenommen...
Jedenfalls ist mein Plan für die Zukunft völlig auf Anti-Depressiva zu verzichten, da sie Psychosen begünstigen können. Es tritt außerdem schon ein starker Anti-Depressiver Effekt auf, wenn ich das Zyprexa nur reduziere -> Experiment!
Das Experiment: Ich reduzierte meine Zyprexa-Dosis auf 1,25 mg für 2 Tage und bin jeden Nacht, alle 2 Stunden aufgewacht aber mir ging es ansonsten direkt wesentlich besser. In der dritten Nacht konnte ich gar nicht mehr schlafen und habe daher aus vorsichtsgründen gleich 5 mg eingenommen und bin dann sage und schreibe um 17.30 Uhr abends aufgewacht. Jetzt werde ich erstmal weiterhin bei 2,5 mg Zyprexa bleiben müssen.
Das Experiment hat mir zwei Dinge gezeigt: 1. Ohne das Zyprexa kann ich nicht mehr normal schlafen und schon eine Reduzierung von 2,5 mg auf 1,25 mg löst manische Zustände nach 3 Tagen aus. 2. Mit weniger Zyprexa setzt sofort die Depression aus.
Ich habe von anderen Menschen gelesen, dass sie auch sehr starke Absetzsymptomatik haben. Daher werde ich einen 2-Jahres Plan aufstellen von dem Medikament wegzukommen. Dazu muss man zunächst die emotionalen Traumata meines Lebens aufarbeiten per Psychotherapie. Ich brauche außerdem eine stabile Lebensstruktur (zur Zeit oft nachts wach und am zocken). Das Problem ist, dass mein Bewusstsein durch das Zyprexa von meinem emotionalen Zentrum abgeschnitten ist und ich dadurch die Dinge, die mich eigentlich belasten verdränge.
In meinen Träumen habe ich schon viele Dinge verarbeitet und auch in der letzten Psychose hat es dazu beitragen, dass ich meine Traumata besser verarbeiten konnte. Ich habe in meiner Psychose viele Dinge verarbeitet aus der Kindheit und durch meine Verhaltensweise habe ich vielen Menschen gezeigt, was sie mir früher angetan haben.
Da diese Verarbeitung allerdings noch nicht abgeschlossen ist, bin ich jetzt endlich so weit eine Psychotherapie anzufangen und habe neuen Mut gefunden eines Tages ganz ohne Medikamente klar zu kommen, lediglich in einer akuten Phase. Dazu muss ich noch viele Dinge ändern aber ich habe durch mein Experiment herausgefunden wie lebensfroh ich eines Tages wieder sein kann!
Das hier ist eine lange Geschichte voller Leid, chemischer Folter aber auch von Hoffnung und es zeit mir, dass es sich lohnen kann zu kämpfen, denn ich bin nicht der erste und nicht der letzte Mensch, der diesen langen und schweren Weg gegangen ist und sich dabei vielleicht verloren hat oder mit seinem Leben dafür bezahlte.
Gruß an die Leidenden und Angehörigen